Ab dem 1. Juli 2021 ändern sich in allen EU-Ländern die Mehrwertsteuerregelung (MwSt.) für grenzüberschreitende Verkäufe. Die neue Reform zielt darauf ab, den europäischen Binnenmarkt zu stärken, einheitliche Regelungen für grenzüberschreitende Transaktionen in der EU zu schaffen und einen fairen Wettbewerb mit Händler:innen außerhalb Europas zu gewährleisten.
Ursprünglich sollte die neue Reform bereits am 1. Januar 2021 in Kraft treten, doch die Europäische Kommission verschob die Umsetzung aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Dieser Artikel geht näher auf die Hintergründe der neuen Reform ein, auf die wichtigsten Änderungen und darauf, was Unternehmen jetzt tun können.
Warum die neue Reform eingeführt wurde
Die aktuellen MwSt.-Vorschriften gelten bereits seit den 1990er Jahren. Seitdem hat sich besonders in Bezug auf Technologie viel getan und verändert. Nach der aktuellen Mehrwertsteuerregelung müssen Händler:innen, die Waren in andere EU-Länder liefern, die Mehrwertsteuer im Land der Kund:innen berechnen und zahlen, sobald ihr Unternehmen eine jährliche Umsatzschwelle überschreitet. Diese liegt zwischen 25.000 € und 100.000 € und wird von jedem Land individuell festgelegt. Unterschiedliche Sprachen und Regelungen in den verschiedenen EU Ländern stellten oft Hindernisse für einen reibungslosen grenzüberschreitenden Verkäufe dar. Da es ein Hauptziel der EU ist den europäischen Binnenmarkt zu stärken, hat die Europäische Kommission beschlossen, die aktuellen Mehrwertsteuerregelungen zu überdenken und zu ändern.
Darüber hinaus sollen die neuen Regelungen einen Ausgleich zwischen europäischen und nicht-europäischen Händler:innen schaffen, da letztere es bisher oft geschafft haben die Regelungen zu umgehen und ihre Waren ohne Mehrwertsteuer in die EU verkaufen konnten.
Kurz zusammengefasst, die Ziele der neuen Mehrwertsteuerreform sind:
- Die aktuelle Mehrwertsteuerreform zu modernisieren
- Die Regelungen zu vereinfachen Vorschriften
- Betrug von Nicht-EU-Händler:innen zu verhindern
Die wichtigste Änderungen
Detaillierte Informationen über die geänderte Mehrwertsteuerreform finden Sie hier. Die wichtigsten Änderungen sind:
1. Einheitliche Umsatzgrenze von 10.000 Euro innerhalb der EU
Ab dem 1. Juli 2021 wird der Online-Verkauf von Waren genauso besteuert wie der Kauf von Waren in physischen Geschäften. Die Steuer wird dabei in dem EU-Mitgliedstaat der Verbraucher:innen erhoben, unabhängig vom Standort der Händler:innen.
Zudem wird es ab dem 1. Juli einen einheitlichen jährlichen Schwellenwert von 10.000 € für Unternehmen geben, die Waren und/oder Dienstleistungen online verkaufen, und zwar in ganz Europa. Da Unternehmen ihre Online-Verkäufe in andere europäische Länder nun ähnlich wie ihre Inlandsverkäufe behandeln dürfen, müssen sie sich nur mit den inländischen Mehrwertsteuerregeln und ihrer nationalen Steuerbehörde auseinandersetzen.
Darüber hinaus benötigen Unternehmen mit Umsätzen von weniger als 100.000 Euro pro Jahr aus grenzübergreifenden Verkäufen derzeit zwei Nachweise, um den Standort ihrer Kund:innen zu identifizieren. Nach den neuen Regelungen benötigen Händler:innen nur noch einen Nachweis - das bedeutet einfachere Umsatzsteuerregeln und insgesamt weniger Pflichten für Händler:innen.
2. "One-stop-shop" wird auf Konsumgüter erweitert
Um zu viele Umsatzsteuerregistrierungen in verschiedenen Ländern zu vermeiden, wird mit der zweiten Änderung innerhalb der Reform der "One-Stop-Shop" der Steuer- und Zollverwaltung auf Konsumgüter ausgeweitet. Diese Änderung bringt die Möglichkeit einer einzigen Erklärung für alle Transaktionen in ganz Europa, wodurch die Beantragung von Umsatzsteuer-Identifikationsnummern und die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen in mehreren EU-Land entfällt.
3. Mehr Verantwortung für Plattformen
Die dritte Änderung legt mehr Verantwortung für die korrekte Zahlung der Mehrwertsteuer auf Plattformen und Marktplätze, über die Produkte und Dienstleistungen online verkauft werden. Um die die Nachvollziehbarkeit von Zahlungen gewährleisten zu können , müssen sie Informationen und Nachweise über Verkäufe über ihre Plattform oder ihren Webshop bis zu zehn Jahre lang aufbewahren.
Wenn Plattformen eine "aktive Rolle" im Prozess übernehmen, liegt es an ihnen, Artikel an Kund:innen zu liefern. In diesem Fall zahlen die Plattformen die Umsatzsteuer an das Land, in dem die Kund:innen ansässig ist. Eine Plattform wird als aktiv definiert, wenn sie mehr als nur Nachfrage und Angebot verbindet, z. B. Bestellungen und Zahlungen ermöglichen. Diese Regelung gilt generell, wenn Waren im Wert von mehr als 150€ oder in die EU importiert werden.
4. Keine Mehrwertsteuerbefreiung für Lieferungen unter 22€
Bisher waren Waren, die unter dem Schwellenwert von 22€ in die EU importiert wurden, von der Zahlung der Mehrwertsteuer befreit. Ab dem 1. Juli 2021 entfällt dieser Schwellenwert, und alle Waren, die EU-Verbraucher:innen online von Verkäufer:innen außerhalb der EU kaufen, unterliegen der Mehrwertsteuerregelungen gemäß den europäischen Vorschriften.
Das Ziel mit dieser Änderung ist, gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU- und Nicht-EU-Händler:innen zu schaffen. Dies könnte zu einem Rückgang der Verkäufe von außerhalb der EU führen - allerdings eher von generell dubiosen und betrügerischen Händler:innen. Gleichzeitig bietet es Chancen für vertrauenswürdige Händler:innen, da sie ihren Kund:innen in der EU mehr Gewissheit über die Endpreise geben können. Bei den derzeitigen Regelungen wird eine beträchtliche Anzahl von Paketen von europäischen Verbraucher:innen bei der Ankunft in der EU abgelehnt, da sie mit zusätzlicher Mehrwertsteuer und Abfertigungsgebühren von Post- oder Kurierdienstleistern konfrontiert werden.
Welche Möglichkeiten Händler:innen jetzt haben
Europäische Händler:innen haben jetzt zwei Möglichkeiten zur Steuererklärung innerhalb der EU:
- Eine Mehrwertsteuererklärung für jedes europäische Land abgeben, in das sie Produkte oder Dienstleistungen verkauft haben.
- Sich für die Unionsregelung registrieren lassen, um das neue One-Stop-Shop-System der Steuer- und Zollverwaltung zu nutzen.
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